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… oder: Ein interessantes Stück Liedtext, das mir in die Hände gefallen ist.
Ich habe eine CD von Melissa Etheridge daheim rumfahren. Brennjahr 1987.
(Da bin ich in die Schule gekommen. Sowohl ich als auch der Silberling sind verdammt alt.)
Darauf zu finden neben dem Klassiker „Like the way I do“ auch ein Song namens „Don’t you need“. (Hier ist eine Live-Aufnahme.) Darin erzählt das lyrische Ich, wie es sich nach irgendwem verzehrt, und doch nur ein Dieb in der Nacht sein kann, da die angesprochene Person offenbar recht kühl auf die Avancen reagiert hat.
Jedenfalls ist der Refrain für mich recht aufschlussreich:
Don’t you want, don’t you need
Can’t you taste it when you’re alone
Don’t you cry, don’t you feel
Sometimes I wonder if you are real
Don’t you bleed
Zu deutsch ungefähr: „Brauchst du nicht? Begehrst du nicht? Kannst du es nicht schmecken, wenn du allein bist? Weinst du nicht? Fühlst du nicht? Manchmal frage ich mich, ob es dich wirklich gibt. Blutest du nicht?“
Letzteres scheint eine Anspielung auf Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ zu sein, wo selbiger Vergleich von Shylock, einem Juden, verwendet wird, um Antisemitismus zu entkräften. Schlussfolgerung: wer blutet (und noch einige andere Dinge tut, auf die der Songtext indirekt bezugnimmt), ist ein Mensch.
Und Schlussfolgerung im Liedtext: wer blutet, also ein Mensch ist, muss doch auf alle diese Fragen mit einem uneingeschränkten Ja antworten. Offenbar ist Ms. Etheridge aber jemandem begegnet, der, oder eher die, das nicht tut – Asexiness ist demnach kein neues Phänomen, auch wenn es erst seit zehn Jahren einen Namen dafür gibt, der nicht ‚frigide‘ heißt.
Die Zweifel am Menschsein des durchschnittlichen Ace sind also schon älter als der Name für uns, und sitzen auch bei anderen sexuellen Minderheiten im Kopf, nicht nur bei Heteros.
Ich habe beschlossen, nicht niedergeschlagen zu sein, auch wenn der Text mal wieder ein Beweis ist, wie viel Sichtbarmachung und Information noch zu leisten sind.
Um etwas leichtfüßiger abzuschließen, hier meine Antworten:
1. und 2.: Bitte genauer. Ich brauche und begehre eine ganze Menge Dinge, da muss ich schon wissen, wie das Objekt der Frage lautet.
3. Kommt drauf an. Alleinsein hat mich noch nie am Schoki-Essen gehindert.
4. und 5. Aber hallo. Wenn wir zusammen weggehen, schämt meine Mum sich manchmal, weil ich am Ende von traurigen Kinofilmen oder Opern grundsätzlich in Tränen ausbreche.
6. Oh, eine metaphysische Debatte! Oder doch nicht?
7. Prima! Noch jemand, vor dem ich mit meinem unfreiwilligen Branding angeben kann.