Nach einem eher unerfreulichen Gespräch mit meiner Frau Mama an Dreikönig über das leidige Thema Sichtbarkeit muss ich hier mal ein paar Gedanken dazu äußern. Zumal es nicht das erste jener Art war.
Zugegebenermaßen, mir geht es gut, und schon vor diesem einen Jahr (ich hab demnächst AVEN-Einjähriges!) mit dem neuen Etikett ging es mir nicht schlecht. Keiner hat mich je blöd angemacht, weil ich immer noch „niemanden habe“, auch wenn ich über drei Ecken weiß, dass ich in der Schule mal per Gerücht zur Lesbe gemacht wurde. Ich werde wegen meines Singledaseins tatsächlich eher bevorzugt eingestellt, und hatte deswegen auch bei der Wohnungssuche keine Schwierigkeiten.
Alles hätte überhaupt in Butter sein können, wenn man davon absieht, dass ich die klassische Familiengründung, die meine Mutter wohl noch immer erwartet, ausgelassen hätte.
Und dann gehe ich hin und pappe mir ein Etikett auf und, *ohnmächtig werd* habe die Flagge an meiner Handtasche und meinem Auto, schreibe einen Blog, gehe regelmäßig zu Treffen und hätte auch kein Problem, mich bei irgendeiner CSD/Pride-Veranstaltung zu zeigen. Irgendwann war sogar eine Vereinsgründung im Gespräch, die inzwischen, mal wieder, vertagt wurde. Ich mache also wenig Hehl aus meinem Dasein als Freak.
Aber warum muss ich nun krähen, wo ich doch nicht diskriminiert werde, und wieso sollten wir Asexies überhaupt was für die Sichtbarkeit tun? Wir werden doch nicht verfolgt, und es gibt auch kein Schimpfwort für uns!
Und warum nun ausgerechnet ich?
Ha. Nein, ich werde nicht diskriminiert. Aber ich muss mir von meiner Frau Mama anhören, ob mein Unwille, mich zu verbändeln, nicht doch „irgendwie eine Form von Autismus“ sei. Also, meine Mutter hält mich für falsch im Kopf (die Autisten unter meinen Lesern mögen mir verzeihen), und damit bin ich sicher nicht das einzige Ass, dem es so geht.
Blöd, wenn man sich selbst das dank seiner erfahrenen Andersartigkeit auch schon gefragt hat. Offenbar gibt es also einen gesellschaftlichen Konsens, dass ich krank bin. Einen, den ich verinnerlicht habe. Und deswegen war ich sehr froh, als ich AVEN gefunden habe, und erkannte, dass ich „nur“ zu einer recht kleinen sexuellen Minderheit gehöre.
Warum also krähen? Antwort: damit Leute wie ich sich nicht mehr fragen (lassen) müssen, ob sie krank sind, sondern wissen, dass es eine Anlaufstelle für solche wie sie gibt. Damit ich unglücklichen Menschen ein bisschen was von den Zweifeln ersparen kann, die mich plagen.
Im Moment krähen noch zu wenige Asexies, wie ich finde, zumindest in Deutschland. Und meine Mutter weiß das natürlich, auch wenn sie nicht meint, dass es zu wenige sind. Nur, dass ich eben krähe, während andere still sind und lieber nichts sagen.
Sie versteht nicht, dass es ein Privileg ist, krähen zu können. Es heißt, dass sie mich zu einem relativ selbstbewussten, offenen Menschen erzogen hat, und dass mein Umfeld sehr tolerant ist. Ich empfinde es geradezu als Verpflichtung, etwas für die Sichtbarkeit zu tun, da ich es eben nun mal kann, und da ich außerdem etwas von dem Guten, das ich erfahren habe, zurückgeben möchte.
Der Aktivist scheint mir zudem ein bisschen im Blut zu stecken – meine Mutter engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich, gehörte mit meinem Vater zu den Gründungsmitgliedern eines örtlichen Service-Clubs, und muss sich derzeit selbst zurückhalten, um sich nicht wieder in einem zweiten Verein zum Vorstand wählen zu lassen.
Und so jemand wirft mir vor, dass ich hier nur krähe, weil ich eine Selbstdarstellerin bin, die unbedingt Aufmerksamkeit braucht. Eine Hundertfünfzigprozentige, die ihr Ego gestreichelt haben will.
Ich werde nicht leugnen, dass ich Publikum mag. Ich habe verhältnismäßig wenig Schwieirgkeiten, mich irgendwo auf ein Bühne zu stellen und was zu machen, für das ich nachher Applaus bekomme. Ich bin eitel, ohne Frage.
Dennoch. Ich sehe es mal lieber so: ich tue mehr als der Durchschnitt. Der deutsche asexuelle Durschnitt ist, gemessen an dem, was es im englischsprachigen Netz zu sehen gibt, extrem niedrig angesetzt. Insofern hebe ich also den Durchschnitt…
… und ich sage mal, gemessen an den Reaktionen, die ich so im Durchschnitt auf einen Blogpost bekomme, ist dieser Wunsch, mein Ego gestreichelt zu bekommen, ja wohl zu Scheitern verurteilt.
Ohne bereits vorhandenes Selbstbewusstsein hätte ich schon längst das Handtuch geworfen, oder mich nach dem unschönen Artikel in der Apotheken-Umschau online in ein Loch verkrochen, um meine Wunden zu lecken. Aber aus der Richtung zu schauen ist wohl irgendwie unbequemer.