Dies ist die deutsche Version dieses Artikels. Geschrieben für den November-Carnival, nachdem ich bei Ily diesen Artikel gefunden habe. Zusammengefasst fragt sie sich: wenn Mädchen und Jungen irgendwann zu Frauen und Männern werden, was hat das für Konsequenzen für Menschen, die sich diesen Kategorien nicht zugehörig fühlen?
Woraufhin ich mich fragte: bin ich nun ein Mädchen oder eine Frau oder was?
Warnung: Etymologie und Liederzitate.
Ich darf mich glücklich schätzen, cis zu sein. Für Uneingeweihte: ich wurde als weiblich beim Standesamt angemeldet, und hatte bis jetzt noch keinen Grund, damit unzufrieden zu sein.
Außerdem fühle ich mich in meinem Körper so wohl wie seit meiner Kindheit nicht mehr. Ich gehe davon aus, dass mit meiner asexuellen Identität zusammenhängt. Manche Dinge (wie Tanzengehen) sind viel einfacher geworden, seitdem ich mir über meine Erwartungen im Klaren bin, und ich nicht mehr sexy aussehen muss.
Jedenfalls fragte ich mich, ob ich mich eher als Mädchen oder als Frau bezeichnen würde, und stand vor einem Rätsel.
Bin ich ein Mädchen? Mit knapp dreißig? Mit all den Untertönen: Girly. Rosa. Süße Katzen auf dem Nachthemd. Aber auch: „girls just wanna have fun“, und, „Weil ich ein Mädchen bin.“
Auf die vorausgesetzte Unreife verzichte ich dankend. Ich mag ein Fan-Girl sein, aber mein Dasein als Mädchen habe ich spätestens an dem Tag hinter mir gelassen, als ich von meinem eigenen sauer verdienten Geld eine eigene Wohnung gemietet habe.
Außerdem mag ich das Wort Mädchen nicht. Als Verkleinerung von Magd kann es gar nicht anders, als ein Neutrum zu sein, und ich bezeichne ungern weibliche Menschen, mich selbst eingeschlossen, als Es. (Was anderes sind Leute, die „es“ als Pronomen haben – aber die sind dann in der Regel auch nicht weiblich.)
Zuletzt habe ich ja oben schon erwähnt, dass man von Mädchen erwartet, dass sie irgendwann erwachsen werden und dann Frauen sind. Mädchen ist ein Übergangsstatus, etwas, das man hinter sich lassen sollte. Und ich würde gerne glauben, dass ich mich gegenwärtig nicht mehr in einem Übergang zum Erwachsenwerden befinde.
Also, meine zweite Option: Frau. Englisch: woman. Im Mittelalter war „Frau“ für verheiratete Adlige reserviert, und alle anderen mussten sich mit ‚wip‘ (Weib) zufriedengeben. Desgleichen ist das Fräulein ein Neutrum, und außerdem nur für Unverheiratete.
Ich habe kein Problem mit der Anrede „Frau“, und auch nicht mit „Fräulein“, mit dem ich gelegentlich von einigen älteren Herrschaften angesprochen werde. „Fräulein“ funktioniert nämlich noch als Titel, braucht also keinen Namen hintendran, während, „Sie, Frau, können Sie mir mal helfen?“ irgendwie seltsam klingt.
Jedenfalls sind Anreden eins, aber mein ganzes Selbstbild an meinen Familienstand zu hängen, widerstrebt mir zutiefst.
Mir fehlen leider deutsche Liedzitate, was Frauen und ihr (Selbst-)Bewusstsein angeht, also muss ich mich im englischen Sprachraum bedienen. „Man, you make me feel like a woman.“ „I’m a red-blooded woman.“ „Treat me like a woman.“ Und irgendwie scheint das alles mit Sex und Beziehungen zu tun zu haben, und ich kann bestenfalls in Ansätzen nachvollziehen, was diese Frauen da meinen. Ich weiß nicht, wie es geht, mich ganz als Frau zu fühlen.
Zusammengefasst: die zwei üblichen Bezeichnungen für weibliche Menschen kommen mit einem Haufen Ballast, der es mir quasi unmöglich macht, mich für eins von beiden zu entscheiden. Weiter mag ich gar nicht denken, denn die Resultate führen größtenteils zu Kopfschmerzen.
Ich glaube, dass diese Benamsungsschwierigkeiten direkt mit meiner Asexualität und meinem Desinteresse an traditionellen romantischen Partnerschaften zusammenhängt. Denn sowohl „Mädchen“ als auch „Frau“ greifen für ihre Definition auf Sex und Ehe zurück, und mit diesen Konzepten kann ich nunmal persönlich eben wenig anfangen.
Das führt unter anderem zu einem Aussehen, das eben nicht furchtbar fraulich ist, und daher manchmal zu ein bisschen Schluckauf im Umgang mit anderen Leuten – solange ich also keine Falten habe, oder graue Haare, werde ich von anderen Menschen eben den Mädchen zugeordnet, mit allen Nachteilen.
Ich mag mich deswegen auch nicht anders anziehen – mit Kaschmir-Twinset und Perlenkette käme ich mir doch nur verkleidet vor – und kann dann nur hoffen, die Menschen durch Taten davon zu überzeugen, dass ich zwar jung aussehe, aber trotzdem weiß, was ich tue.