Wie schon im letzten Post erwähnt, hatte Fiammetta bei ihrem Radiointerview Schwierigkeiten, das Wort demisexuell zu erklären und klar zu machen, wozu wir es brauchen. (Sendung vom 25.10.)
Und zufällig hat SlightlyMetaphysical als Gast auf der Asexual Agenda hier auch schon drüber philosophiert.
Erstmal zum Begriff: Soweit sich die Community geeinigt hat, bezeichnet „demisexuell“ jemanden, dier nur sekundäre sexuelle Anziehung verspürt, also jemand, dier erst eine emotionale Bindung zu einem/r PartnerIn aufbauen muss, bevor sier diesen Menschen tatsächlich sexuell begehrt. Das kann schnell gehen, aber auch Jahre dauern, je nach Veranlagung.
Nun ist es ja so, dass die Binsenweisheit und fast alle Geschichten für Erwachsene, die ich je gelesen habe, davon ausgehen, dass Männer jemanden sehen, den sie attraktiv finden, und dann innerlich zu sabbern anfangen, beziehungsweise in spontane Fantasien ausbrechen. Männer begehren erst, und (ver)lieben (sich) dann.
Wohingegen die Binsenweisheit davon ausgeht, dass Frauen erst begehren, wenn sie vorher hinreichend lange umworben wurden und die Chance hatten, sich richtig zu verlieben. Also, Frauen verlieben sich erst, und begehren dann.
Nun klingt diese Art Gefühle verdächtig nach der Definition von demisexuell, und dementsprechend mögen Außenstehende denken, „aber das ist doch normal, wieso brauchen die ein extra Wort für etwas, das alle (Frauen) fühlen?“
Das Argument zieht nicht.
Erstens, von wegen alle. Wenn es alle wären, würde mir meine Patentante niemals vorschwärmen, wie süß dieser oder jener Schauspieler ist. (Die ist schon so lange erwachsen, dass die übliche Entschuldigung für Teenie-Schwärmereien nicht gilt.) Wenn es alle wären, hätte ich diesen Blog nicht, und Fiammetta hätte das Interview nicht gegeben. Wenn es alle wären, hätten die meisten heterosexuellen Kerls auf der Suche nach unverbindlichem Sex ein Wahnsinnsproblem, jemanden für einen One-night-stand zu finden.
Ergo, „alle“ gibt es nicht.
Schlussfolgerung: das Stereotyp über Männer, die jede paar Minuten an Sex denken, ist eben nur ein Stereotyp, und es gibt Männer, die nicht so fühlen.
(Ganz davon abgesehen besteht die Menschheit nicht ausschließlich aus Männern und Frauen…)
Zweitens, Wörter sind eine grandiose Sache, und eine genaue Bezeichnung für Dinge, die mensch fühlt, ist immer hilfreich, vor allem, wenn sich die Gefühle und Erfahrungen von denen anderer unterscheiden.
Und um mir jetzt SlightlyMetaphysicals Argumente auszuleihen… gerade wenn Demisexualität so häufig ist, dass irgendwer sagt, dass sie normal sei, dann ist es doppelt notwendig, ein Wort dafür zu haben und darüber zu reden. Denn, wie wir schon an den aufgelisteten Stereotypen gesehen haben, ist die derzeitige populäre Annahme, dass alle Menschen *sexuell sind, und nicht demi. Sonst würden die meisten Werbeanzeigen anders aussehen, und die Sexindustrie nicht florieren. Demisexuelle könnten sich per Gruppendruck gezwungen fühlen, sich anders zu verhalten, als sie eigentlich möchten. Vielleicht spielen sie PartnerInnen etwas vor, damit die glauben, dass sie begehrt werden. Die Demis sähen sich also gezwungen, unehrlich zu sein, um in die gängigen Schablonen zu passen – denn ganz ehrlich, wie oben schon gesagt, kann es Monate oder Jahre dauern, und das liegt gänzlich außerhalb des gesellschaftlich akzeptablen Zeitrahmens.
Wenn nun „demisexuell“ in den allgemeinen Sprachschatz aufgenommen würde, und tatsächlich so normal wäre, dann gäbe es somit einen Haufen Leute, die sich damit besser verstehen, was es ihnen erlaubt, eine ehrlichere Beziehung zu führen. Und was soll daran bitte schlecht sein?