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Der Torheit Herberge

~ Asexualität, das Leben und der ganze Rest

Der Torheit Herberge

Schlagwort-Archiv: Coming Out

Ace-sops Fabel: Die graue Füchsin und die Drachin

03 Mittwoch Sept 2014

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität, Queeres

≈ 5 Kommentare

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Bingo!, Coming Out, Fabeln, Gastbeiträge, The Dragon and the Fox

Fiammetta hatte eine englischsprachige Fabel von the Dragon and the Fox verlinkt, und die fand ich so gut, dass ich sie gleich mal übersetzen musste, nachdem mir freundlicherweise die Genehmigung erteilt wurde.

Ein Text für alle, deren Identität schon mal bestritten wurde, unabhängig von Gray-Asexualität:

 

Die Geschichte von der Grauen Füchsin und der Drachin

Es war einmal eine kleine graue Füchsin, die gerne im Wald spazieren ging. Als sie eines Tages so spazierte, traf sie einen roten Fuchs, und die beiden wanderten gemeinsam und unterhielten sich zunächst angenehm miteinander.

Als das Gespräch schon eine Weile dauerte, fragte der rote Fuchs die Graue: „Bitte verzeih die Frage, aber welche Farbe hat dein Fell? Ich habe diese Schattierung bisher noch an keinem Fuchs gesehen.“

Die graue Füchsin antwortete: „Mein Fell ist grau, wie du siehst.“

Der rote Fuchs dachte darüber eine Weile nach, und sagte endlich: „Ich habe viele Füchse getroffen, aber niemals einen mit grauem Fell. Bist du vielleicht eine alte Füchsin, deren ehemals rotes Fell grau geworden ist?“

„Nein“, antwortete die graue Füchsin, „ich bin eine junge, graue Füchsin.“

„Ich habe schon von vielem gehört, aber noch niemals von einem grauen Fuchs“, sagte der rote Fuchs. „Vielleicht bist du weiß, und dein Fell ist vom Staub grau geworden.“

„Nein“, antwortete die graue Füchsin. „Mein Fell war schon immer grau.“

Der rote Fuchs schüttelte seinen Kopf. „Ich bezweifle, dass irgendein Fuchs graues Fell hat. Füchse können rot oder weiß oder braun oder sandfarben sein, aber noch nie gab es einen grauen Fuchs.“

Daraufhin hielt die graue Füchsin an, setzte sich hin und heulte traurig. Die Füchs*innen hörten den Schlag großer Schwingen, der immer lauter und lauter wurde, bis eine Drachin mit wilden Brüllen vom Himmel herabstieß.

Kurz beschrieb die graue Füchsin der Drachin das vorangegangene Gespräch mit dem roten Fuchs. Die Drachin wendete ihren glühenden Blick dem roten Fuchs zu, und grollte: „Ich kenne diese Füchsin gut, und ihr Fell war schon immer grau. Sie ist eben einfach so. Warum akzeptierst du dies nicht?“

Der rote Fuchs, der sein Fell vor Angst gesträubt hatte, stammelte: „Bitte tu mir nichts, mächtige Drachin. Ich kenne viele Füchs*innen und bin unter den Hohen meines Volkes. Wenn du mich freilässt, werde ich dir als Gegenleistung einen Schatz für deinen Hort geben.“

„Nein“, antwortete die Drachin. „Ich habe kein Interesse an Schätzen, und habe keinen Hort. Ich möchte nur meiner Freundin, der grauen Füchsin, helfen.“

Der rote Fuchs war verblüfft, und fuhr fort: „Aber ich möchte dich besänftigen, große Drachin, und es ist allgemein bekannt, dass jede*r Drachen Reichtümer von allen Dingen am höchsten schätzt. Ich biete dir Reichtümer an, so viele ich finden kann, als Gegenleistung für meine Sicherheit.“

Die Drachin, unbeeindruckt von diesem Bestechungsversuch, antwortete: „Roter Fuchs, du täuschst dich über das Drachenvolk. Nicht alle von uns begehren Reichtümer, und ich am allerwenigsten. Als Gegenleistung für deine Sicherheit bitte ich dich, bei der grauen Füchsin um Verzeihung zu bitten, und ihr zu erlauben, ihren Weg fortzusetzen.“

Als der rote Fuchs das hörte, zeigte er offen seine Verachtung und trumpfte auf: „Dann bist du gar keine Drachin! Ich habe noch nie von einem Drachen gehört, der keine Reichtümer begehrt, denn das ist eine angeborene Eigenschaft aller Drachen, und die bestimmende Eigenschaft eines Drachens. Ich kann mir einen solchen Drachen nicht einmal vorstellen!“

Daraufhin wurde die Drachin wütend, und ließ einen Feuerstrahl in Richtung des roten Fuchses los. Er jaulte und rollte sich auf dem Boden umher, um seinen brennenden Pelz zu löschen. Nachdem die Drachin das eine Weile mit Genugtuung betrachtet hatte, stolzierte sie in den Wald.

Die graue Füchsin drehte sich um, ihrer Freundin, der Drachin, zu folgen, warf dem roten Fuchs einen letzten Blick zu und bemerkte: „Vielleicht wirst du eines Tages lernen, dass es mehr Dinge auf der Welt gibt, als du gesehen hast, oder von denen du gehört hast, oder als du dir vorstellen kannst.“

Woraufhin die Drachin hinzufügte: „Vielleicht wirst du eines Tages lernen, dass ein Drache ein Drache bleibt, und wenn du es noch so bestreitest.“

Ein Coming Out per Mail

04 Dienstag Mär 2014

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität

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Asexualität, Bingo!, Coming Out

Seit dem Wochenende ist meine gesamte Restfamilie eingeweiht. Weil mein Vater eine neue Partnerin hat, waren zwei Menschen zu informieren, und weil ich wusste, wie anstrengend schon eine einzelne Person sein kann, hatte ich beschlossen, den beiden zu schreiben. Am Ende stellte sich raus, dass sie schon ewig die asexy Flagge an der Heckscheibe meines Autos gesehen und gegoogelt hatten, weshalb ich mir völlig umsonst Sorgen gemacht hatte.

Ich wusste auch, dass mein Vater nie so super scharf auf Kinder war wie meine Mutter, auch wenn er jetzt froh ist, mich zu haben, aber von ihm kam nie das, was ich mal als Enkeldruck bezeichnen will.

Jedenfalls sind jetzt alle wichtigen Leute informiert *winkt an manche*, was eine weitere Erleichterung darstellt. Nie mehr Ausflüge zu CSDs in Erzählungen zensieren müssen! Keine Lügen mehr, woher ich Leute kenne! Yay!

Um das Mail einer Zweitnutzung zuzuführen, kriegt ihr es hier, vielleicht nützt es wem was, dier Inspiration oder Hilfe sucht:

 

… Ich werde euch jetzt euren Sonntag durcheinanderbringen. Mir geht es gut, also Ruhe bewahren und bitte bis zum Ende fertiglesen. Wer weiß, vielleicht ist die Überraschung gar nicht so groß.

Euch ist vielleicht aufgefallen, dass ich meine Antworten auf manche Fragen bezüglich meiner Freizeitgestaltung und Bekannten in den letzten zwei Jahren ein wenig ausweichend ausgefallen sind. Das liegt daran, dass ich erstens ein bisschen ein Feigling bin, und zweitens keine Lust auf die unausweichliche Diskussion hatte, die ich führen muss, wenn ich den Grund dafür persönlich mitteile:

Ich habe da einen Verein an der Backe, dessen zweite Vorsitzende ich bin. Der Verein heißt AktivistA, und hat sich der Sichtbarmachung von Asexualität verschrieben.

Asexualität ist, grob gesagt, das Gegenteil von Bisexualität. Wir wollen nichts von niemandem.

Das ist so ungewöhnlich und jenseits der modernen westlichen Vorstellungskraft, dass ich mich jahrelang gefragt habe, was mit mir los ist, und selbst, als ich das Wort gefunden hatte, jahrelang gebraucht habe, bis ich mich für endgültig nicht hetero erklären konnte. Mir geht es sehr viel besser, seit ich ein Wort für mein „tickt anders“ habe, und über dieses Wort mit anderen in Kontakt komme, die ähnlich gelagert sind. Das Wort gibt es noch nicht sehr lange, deswegen dürfte es euch, wenn überhaupt, im Zusammenhang mit Amöben begegnet sein.

Wie gesagt: Ich weiß, dass es schwierig ist, sich an dieses gedankliche Konzept zu gewöhnen. Mitunter ist die Überraschung so groß, dass ein Outing per Gespräch zu unschönen Diskussionen führt, die alle Parteien unzufrieden und/oder verletzt zurücklassen. Daher, längst überfällig, dieses Mail.

Zum Weiterlesen gibt es hier eine PDF einer Broschüre unseres Vereins: http://www.aktivista.asex-web.de/images/AVEN_Fragen_zur_Asexualitaet.pdf

Und hier ist eine Übersicht über all die Gründe, warum ich ein Mail geschrieben habe: https://dertorheitherberge.wordpress.com/bingo/

Weil ich jahrelang Unsicherheit und Selbstzweifel ausgehalten habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es anderen besser gehen soll. Deshalb bin ich in dem Verein. Deshalb hat Carmilla DeWinter einen Blog über Asexiness. Deswegen die Flaggen an meinem Auto.

Was erwarte ich jetzt von euch?

Vor allem, durchatmen. Ich bin immer noch die selbe Person wie vorher. Fragen jetzt oder später beantworte ich natürlich gerne. Wenn ihr euch entschließt, nicht zu genau nachzufragen, ist das auch in Ordnung …

 

Gastbeitrag: Coming Out

11 Freitag Okt 2013

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität, Queeres

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Asexualität, Coming Out, Coming Out Day, Gastbeiträge, Romantische Orientierung

Gedanken zum Thema „Coming Out“

von Fiammetta

Am 11. Oktober ist Coming Out Day; ein Anlass, sich über das Thema des „aus-dem-Schrank-Kommens“ Gedanken zu machen und sich dazu zu äußern.

Ich persönlich kann zum Thema Outing jede Menge erzählen, da ich den Prozess nicht weniger als dreimal durchgemacht habe. Warum so oft?

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, war ich als Jugendliche (und sogar schon als Kind) an Frauen interessiert, war von ihrer Schönheit, ihrer Ausstrahlung und ihrem musikalischen Talent bezaubert. Da ich in einem recht aufgeklärten und toleranten Umfeld aufwuchs, kannte ich relativ früh den Begriff „lesbisch“ und bezog ihn auf mich. Ich weiß nicht mehr genau, wann ich mich zum ersten Mal gegenüber einer anderen Person so bezeichnete, es muss im Alter von 12 Jahren gewesen sein, vielleicht sogar noch früher.

Etliche Jahre später gewann zu meiner großen Verblüffung ein junger Mann mein Herz. Die Bezeichnung „homosexuell“ passte also doch nicht so recht auf mich. Dass es mit „hetero-“ und „bi-“ alternative Vorsilben gab, wusste ich – aber was war mit dem zweiten Teil des Wortes? „-sexuell?“ Sexuelle Aktivitäten konnte ich mir mit meinem Traumprinzen nicht vorstellen und weiteres Nachdenken brachte die Erkenntnis, dass mein Interesse an Frauen auch nie sonderlich sexuell gewesen war. Zu meinem Glück stieß ich Anfang 2007 (das deutsche Forum war damals gerade einmal zwei Jahre alt!) auf den Begriff „asexuell“ und die asexuelle Gemeinschaft und die Möglichkeiten der Selbstbezeichnung hatten sich mit einem Mal vermehrt. Dies bedeutete aber noch keineswegs, dass ich sofort allen Leuten davon erzählen wollte. Erst einmal brachte ich nach und nach das Wissen derjenigen, bei denen ich mich zuvor als lesbisch geoutet hatte, bezüglich der Vorsilbe auf den neuesten Stand, sagte ihnen, ich sei doch eher bi. Die Leute nahmen dies größtenteils ohne weitere Kommentare zur Kenntnis.

Mehr als zwei Jahre, nachdem ich die asexuelle Community entdeckt hatte, war ich mir dann sicher, dass dies das richtige „Etikett“ für mich war. Ich wollte anderen gern davon erzählen, aber die Sache gestaltete sich schwieriger als die zwei Male davor. Es reichte nun nicht mehr aus, ein Wort in den Raum zu werfen, damit alles klar war – ich musste zusätzlich zu meinem Outing erst einmal erklären, was Asexualität überhaupt bedeutete und mich Vorurteilen stellen („Kann es nicht sein, dass Asexuelle einfach nur Angst haben?“).

Mittlerweile wissen alle mir nahestehenden Menschen von meiner sexuellen Orientierung und haben sie größtenteils akzeptiert; Bedarf, über das Thema zu sprechen, besteht so gut wie keiner mehr. Insgesamt habe ich sicher „Glück gehabt“, muss aber sagen, dass es mir wesentlich leichter fällt, über meine romantische Orientierung (also „bi“) zu sprechen als über die Asexualität – von der Vorsilbe wissen wesentlich mehr Menschen als vom Rest. Dass man Männer und Frauen mag, kann man nebenbei einfließen lassen, während ein Outing als asexuell so gut wie immer einen Kurzvortrag erfordert.

Manchmal frage ich mich, wie mein Leben in Hinblick auf die „Selbstetikettierung“ verlaufen wäre, wenn ich von der Option „asexuell“ von Anfang an gewusst hätte, so wie ich schon als Kind von der Existenz von Homo- und Bisexualität wusste. Hätte es mir als Jugendliche früher auffallen können, dass meine Phantasien über weibliche Wesen bei innigen Umarmungen endeten und es mich wenig interessierte, wie die jeweilige Angebetete nackt aussah? Ich kann darüber nur Vermutungen anstellen.

Das asexuelle Coming Out findet bei vielen Menschen erst spät statt, da sie ganz einfach jahre- und jahrzehntelang nicht wissen, zu welcher Gruppe sie gehören, obwohl sie oft spüren, dass die gängigen „Schubladen“ hetero, homo etc. nicht oder nicht ganz passen. Wenige haben den Mut, ohne eine Community im Rücken anderen von ihrer „Andersartigkeit“ zu erzählen, ihr Empfinden zu beschreiben. Und auch nachdem sie einen Namen für dieses Empfinden sowie Menschen, die ähnliches beschreiben, gefunden haben, bleibt die Sache schwierig, da es wie erwähnt mit einem einfachen „übrigens, ich bin asexuell“ meistens nicht getan ist und weitere Erklärungen nötig sind. Nicht heteroromantische Asexuelle (oder solche, die sich von dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht angemessen beschrieben fühlen) haben in ihrem Leben häufig mehr als ein Coming Out und das Sprechen über die eigene asexuelle Orientierung wird von vielen als der schwerste Schritt empfunden.

Der Coming Out Day betrifft auch uns, aber die Dinge liegen etwas anders als bei anderen GSM (Gender and/or Sexuality Minorities). Nichtsdestoweniger wünsche ich euch allen einen wunderschönen 11. Oktober – ganz gleich, welcher(n) Minderheit(en) ihr angehört und mit wie vielen Menschen ihr schon darüber gesprochen habt.

Was musst du schlimmes erlebt haben…

06 Mittwoch Feb 2013

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität

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Bingo!, Coming Out, Trauma, Vorurteile

Triggerwarnung: sexueller Missbrauch in Andeutungen

Ich habe gerade im Backlog von Swankivys Tumblr „Everyday Ignorance“ rumgestöbert, bin auf diesen Post (mehr Triggerwarnung) gestoßen, und wollte mal meine Meinung zum Thema kundtun.

Der größte Teil meines Umfelds weiß mittlerweile über meine Orientierung Bescheid, oder hat zumindest eine vage Ahnung, dass ich nicht hetero bin.

Drei dieser Personen haben über „schlechte Erlebnisse in der Kindheit“ spekuliert, die ich vielleicht gehabt haben könnte, und die meine Orientierung erklären könnten. Alle mit dem Hinweis, dass man sich Sorgen um mich mache.

Nun. Diese drei Menschen kennen mich relativ gut, und zwar so gut, dass sie wissen, dass ich von einem traumatischen Erlebnis nun nicht notwendigerweise erzählen würde. In meinem Fall gibt’s nichts zu erzählen, doch die Frage ist grundsätzlich problematisch.

Es besteht die Möglichkeit: Ich habe tatsächlich schlechte Erfahrungen. Je nach Konstitution kann es sein, dass ich durch die Frage allein getriggert werde, und einen Flashback erlebe – also in der schlechten Erinnerung so sehr gefangen bin, dass ich sie jetzt als real erlebe.

Vielen Dank, das ist wahnsinnig hilfreich… und verständnisvoll und respektvoll und so.

Denn: Entweder kennt dier Fragende das Konzept „Trigger“, dann ist sier, vorsichtig ausgedrückt, rücksichtslos und beweist, warum man siem bis jetzt noch nichts erzählt hat. Oder dier Fragende ist mit PTSD nicht genug vertraut um zu wissen, dass siene Frage triggern könnte, behauptet aber trotzdem indirekt, die Auswirkungen von PTSD zu kennen.

Beides wirft kein besonders vorteilhaftes Licht auf den Charakter des Fragenden. Insofern, auch wenn die Antwort „nein, ich hatte eine traumafreie Kindheit“ lautet, disqualifiziert die Frage nach möglichem Missbrauch den Fragenden.

Des weiteren muss sich das Ass, das sein Coming out hat, fragen, warum dier Gesprächspartner einem lieber mangelnde Selbsterkenntnis und ein bislang unerwähntes sexuelles Trauma unterstellt, als siene Realität um die Definition einer sexuellen Orientierung zu erweitern. Dier Gesprächspartner sollte sich das auch fragen. (Fühlt sich vielleicht überrumpelt, oder angegriffen, oder den heteronormativen Lebensentwurf kritisiert… ? Wer hat Angst vorm großen, bösen Ace?)

Was an der Frage noch unschön ist: Es wird kaum ein Ass geben, das nicht darüber nachgedacht hat. Asexualität ist die letzte Möglichkeit, und davor haben wir alle Ausschlusskriterien in Betracht gezogen. Auch Missbrauch.

Ich kann mich an kein Trauma in meiner Kindheit erinnern, ich habe keine PTSD-Symptome, und hatte nie welche. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, an der ich nicht sozial ungelenk und schweigsam war, und in der ich mehr als eine Handvoll Freunde hatte. Offensichtlich habe ich nicht irgendwann eine plötzliche Verhaltensänderung an den Tag gelegt.

Trotzdem habe ich vor meinem inneren Coming out monatelang an meinem Gedächtnis gezeifelt und meine gesamte Biographie in Frage gestellt. Offensichtlich hätte ich lieber akzeptiert, dass ich gestört bin, als dass ich asexuell bin.

Wenn ich so zurückschaue, ist das verdammt lächerlich, und gleichzeitig traurig, denn es sagt schon sehr viel darüber aus, wie tief die Indoktrination der sexuellen Befreiung sitzt.

Ich habe den FragestellerInnen, sofern sie hier mitlesen, im Übrigen verziehen. Ich kann aber nicht versprechen, dass ich einer eventuellen Nummer Vier nicht wegen mangelnden Respekts an die Gurgel gehe.

Mutantenstolz

24 Mittwoch Okt 2012

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität, Queeres

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Coming Out, Stolz, X-Men

Ein Gespräch über neu gekaufte Filme hat mich ein bisschen über die X-Men nachdenken lassen. Ich besitze alle fünf Filme auf DVD (was viel ist, wenn man bedenkt, dass meine Sammlung etwa dreißig Filme umfasst). Jedenfalls konnte jemand anderes nicht verstehen, was ich daran so toll finde – ist doch bloß das übliche Comicverfilmungs-Actionspektakelzeug.

Ist es, für mich, eben nicht, aber um das zu erklären, musste ich erst nachdenken, und jetzt muss ich ausholen. Weit, nach 2003. Der erste X-Men-Film ist gerade im Fernsehen gelaufen, und hat mir so gut gefallen, dass ich beschließe, mir Teil 2 im Kino reinzuziehen.

Zu diesem Zeitpunkt bin ich gerade im zweiten Jahr an der Uni. Entgegen meiner Erwartung ist mein neues Ich, das nicht mehr daheim wohnt, nicht sehr viel anders als mein altes Ich. Die neue Umgebung hat mir jedenfalls nicht zu dem erhofften neuen Leben verholfen. Ich bin 21 – alt genug, um in den USA Bier bestellen zu dürfen – und habe so vage das Gefühl, dass es an der Zeit wäre, den Mann für’s Leben zu finden, oder zumindest mal einen festen Freund oder so.

Andererseits fühle ich mich allein ganz wohl, habe keine besondere Lust, die Verbiegungen anzustellen, die es braucht, um einen Kerl an mich zu binden, und mittlerweile weiß ich auch, dass ich mehr Rückzugsmöglichkeiten benötige als andere.

In diese Situation tritt folgender kurzer Dialog:

„Then why not stay in disguise all the time? Look like everyone else?“

„Because we shouldn’t have to.“

(Warum dann nicht die ganze Zeit getarnt bleiben? Wie alle anderen aussehen? – Weil wir es nicht müssen sollten.)

Nightcrawler und Mystique. Beide blau, aber Mystique hat als Gestaltwandlerin die Möglichkeit, sich anzupassen.

Dieser Dialog hat mich damals an den sprichwörtlichen Eiern gegriffen und seitdem nicht wieder losgelassen.

Neben dem ganzen CGI-Geballer geht es bei X-Men um das sich Versteckenkönnen und sich Versteckenmüssen. Begegne ich der ewigen Angst vor dem Unbekannten, indem ich mich anpasse und den Kopf einziehe, oder lasse ich den Kopf draußen und bin laut? Auch auf die Gefahr hin, mir Feinde zu machen?

Keine Ahnung, an wen die Schöpfer der X-Men damals gedacht haben. Angeblich fühlen sich die meisten Teenager manchmal wie Aliens, und lieben deswegen X-Men. Aber es ist ein Unterschied, ob ich mich als Teenie manchmal oder als Erwachsene_r immer als Alien fühle… und gelegentlich überkommt einen die Ahnung, dass queeres Volk sich zumindest manchmal in den Filmen wiederfinden könnte…

„Have you ever tried not being a mutant?“

(Hast du jemals versucht, kein Mutant zu sein? – Bobbys/Icemans Mutter nach dessen Outing in Teil 2)

„If you’re using half your concentration to look normal, then you’re only half paying attention to whatever else you’re doing.“

(Wenn du die Hälfte deiner Konzentration dafür aufbietest, normal zu wirken, kannst du allem anderen nur die halbe Beachtung schenken. – Erik/Magneto zu Raven/Mystique in X-Men: First Class)

Wie dem auch sei: dieser eine Satz bestätigte mir meine Punk-Attitüde. Ich hatte zwar keinen Namen für mein Anderssein, und ein cooles Alias schon gar nicht, aber hey, immerhin gab es Leute, die meine Meinung teilten.

Warum sollte ich entgegen meiner Neigungen handeln? Nur, um nicht aufzufallen, oder weil es jemandem unangenehm sein könnte?

Ich bin nicht auf der Welt, um in anderer Leute Schubladen zu passen, oder anderer Leute Erwartungen zu erfüllen.

In diesem Sinne: Mutant Ace and Proud.

Queer oder nicht queer?

03 Dienstag Apr 2012

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität, Queeres

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Asexualität, Coming Out, LGBT, Sichtbarkeit, Vorurteile

Diese Frage stellt sich/man mir ab und an. Ob mehr oder weniger wohlmeinende Außenstehende (Ihr wollt doch genau das Gegenteil von „denen“), Leute aus den eigenen Reihen, die mit den Halbnackten bei einem Christopher-Street-Day-Umzug nichts anfangen können, und schlussendlich „die“ Halbnackten selbst, die erstmal glauben, dass man ihnen das Vögeln verbieten will… irgendwer findet immer, dass AVEN auf so einer Pride-Veranstaltung nichts verloren hat.

Ich gehöre offensichtlich nicht dazu. Tatsächlich finde ich die Schnittmenge relativ hoch:

Ich will gerne Sex haben, mit wem ich will, und wenn das niemand ist: So what?

Des weiteren möchte ich nicht auf den Sex reduziert werden, den ich habe, oder auch nicht habe.

Ich will auch nicht, dass Eltern sich fragen, was sie nur falsch gemacht haben, wenn ihr Kind sich als asexuell outet.

Ich will, dass mir geglaubt wird, wenn ich mich oute, und dass ich nicht lang und breit erklären muss, als was ich mich gerade geoutet habe. (Letzteres ist übrigens der Grund, warum ich mich so selten oute. Catch 22.)

Ich will keine Vorstellungsposts im AVEN-Forum mehr lesen, wo jemand erzählt, dass si_e_r geweint hat, als sie das Forum fanden.

Ich hätte gern mehr offen asexuelle Figuren in Büchern, Filmen und anderen Medien. Des weiteren wäre es schick, wenn auch Aromanties allein glücklich werden könnten.

Übrigens musste man sich in meiner Jugend schon als 17-jährige Jungfrau egal welchen Geschlechts wie ein Alien fühlen, weil solche Menschen irgendwie nie in den Medien vorkamen, die ich konsumierte, und wenn doch, dann als jemand, mit dem man Mitleid haben musste. Ich habe keine Ahnung, wie es derzeit aussieht, wenn also jemand Jüngeres was beizutragen hat: bitte kommentieren.

Die Reaktioen egal auf welche sexuelle Minderheit sind sich manchmal erschreckend ähnlich. Und daher finde ich mich auf einem CSD bislang ziemlich gut aufgehoben.

Pssst!

11 Mittwoch Jan 2012

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität, Sichtbarkeit

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Asexualität, Coming Out, Eitelkeiten, Selbstbild, Sichtbarkeit

Nach einem eher unerfreulichen Gespräch mit meiner Frau Mama an Dreikönig über das leidige Thema Sichtbarkeit muss ich hier mal ein paar Gedanken dazu äußern. Zumal es nicht das erste jener Art war.

Zugegebenermaßen, mir geht es gut, und schon vor diesem einen Jahr (ich hab demnächst AVEN-Einjähriges!) mit dem neuen Etikett ging es mir nicht schlecht. Keiner hat mich je blöd angemacht, weil ich immer noch „niemanden habe“, auch wenn ich über drei Ecken weiß, dass ich in der Schule mal per Gerücht zur Lesbe gemacht wurde. Ich werde wegen meines Singledaseins tatsächlich eher bevorzugt eingestellt, und hatte deswegen auch bei der Wohnungssuche keine Schwierigkeiten.

Alles hätte überhaupt in Butter sein können, wenn man davon absieht, dass ich die klassische Familiengründung, die meine Mutter wohl noch immer erwartet, ausgelassen hätte.

Und dann gehe ich hin und pappe mir ein Etikett auf und, *ohnmächtig werd* habe die Flagge an meiner Handtasche und meinem Auto, schreibe einen Blog, gehe regelmäßig zu Treffen und hätte auch kein Problem, mich bei irgendeiner CSD/Pride-Veranstaltung zu zeigen. Irgendwann war sogar eine Vereinsgründung im Gespräch, die inzwischen, mal wieder, vertagt wurde. Ich mache also wenig Hehl aus meinem Dasein als Freak.

Aber warum muss ich nun krähen, wo ich doch nicht diskriminiert werde, und wieso sollten wir Asexies überhaupt was für die Sichtbarkeit tun? Wir werden doch nicht verfolgt, und es gibt auch kein Schimpfwort für uns!

Und warum nun ausgerechnet ich?

Ha. Nein, ich werde nicht diskriminiert. Aber ich muss mir von meiner Frau Mama anhören, ob mein Unwille, mich zu verbändeln, nicht doch „irgendwie eine Form von Autismus“ sei. Also, meine Mutter hält mich für falsch im Kopf (die Autisten unter meinen Lesern mögen mir verzeihen), und damit bin ich sicher nicht das einzige Ass, dem es so geht.

Blöd, wenn man sich selbst das dank seiner erfahrenen Andersartigkeit auch schon gefragt hat. Offenbar gibt es also einen gesellschaftlichen Konsens, dass ich krank bin. Einen, den ich verinnerlicht habe. Und deswegen war ich sehr froh, als ich AVEN gefunden habe, und erkannte, dass ich „nur“ zu einer recht kleinen sexuellen Minderheit gehöre.

Warum also krähen? Antwort: damit Leute wie ich sich nicht mehr fragen (lassen) müssen, ob sie krank sind, sondern wissen, dass es eine Anlaufstelle für solche wie sie gibt. Damit ich unglücklichen Menschen ein bisschen was von den Zweifeln ersparen kann, die mich plagen.

Im Moment krähen noch zu wenige Asexies, wie ich finde, zumindest in Deutschland. Und meine Mutter weiß das natürlich, auch wenn sie nicht meint, dass es zu wenige sind. Nur, dass ich eben krähe, während andere still sind und lieber nichts sagen.

Sie versteht nicht, dass es ein Privileg ist, krähen zu können. Es heißt, dass sie mich zu einem relativ selbstbewussten, offenen Menschen erzogen hat, und dass mein Umfeld sehr tolerant ist. Ich empfinde es geradezu als Verpflichtung, etwas für die Sichtbarkeit zu tun, da ich es eben nun mal kann, und da ich außerdem etwas von dem Guten, das ich erfahren habe, zurückgeben möchte.

Der Aktivist scheint mir zudem ein bisschen im Blut zu stecken – meine Mutter engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich, gehörte mit meinem Vater zu den Gründungsmitgliedern eines örtlichen Service-Clubs, und muss sich derzeit selbst zurückhalten, um sich nicht wieder in einem zweiten Verein zum Vorstand wählen zu lassen.

Und so jemand wirft mir vor, dass ich hier nur krähe, weil ich eine Selbstdarstellerin bin, die unbedingt Aufmerksamkeit braucht. Eine Hundertfünfzigprozentige, die ihr Ego gestreichelt haben will.

Ich werde nicht leugnen, dass ich Publikum mag. Ich habe verhältnismäßig wenig Schwieirgkeiten, mich irgendwo auf ein Bühne zu stellen und was zu machen, für das ich nachher Applaus bekomme. Ich bin eitel, ohne Frage.

Dennoch. Ich sehe es mal lieber so: ich tue mehr als der Durchschnitt. Der deutsche asexuelle Durschnitt ist, gemessen an dem, was es im englischsprachigen Netz zu sehen gibt, extrem niedrig angesetzt. Insofern hebe ich also den Durchschnitt…

… und ich sage mal, gemessen an den Reaktionen, die ich so im Durchschnitt auf einen Blogpost bekomme, ist dieser Wunsch, mein Ego gestreichelt zu bekommen, ja wohl zu Scheitern verurteilt.

Ohne bereits vorhandenes Selbstbewusstsein hätte ich schon längst das Handtuch geworfen, oder mich nach dem unschönen Artikel in der Apotheken-Umschau online in ein Loch verkrochen, um meine Wunden zu lecken. Aber aus der Richtung zu schauen ist wohl irgendwie unbequemer.

Stolz und (verinnerlichtes) Vorurteil

11 Freitag Nov 2011

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität

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Coming Out, Sichtbarkeit, Stolz

So, nachdem Ily hier und Sciatrix hier sich Gedanken zu Stolz und Vorurteilen machten, musste ich einfach mal ein bisschen tiefer in die Materie gehen und über „internalized homophobia“, also verinnerlichten Schwulenhass, lesen. Und nun ebenfalls nachdenken.

Wie Ily bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass zahlreiche Aces Vorurteile gegen sich selbst verinnerlicht haben, die in etwa dem entsprechen, was man auch von Außenstehenden zu hören bekommt. Wir können ja wohl nicht ganz richtig im Kopf sein, wenn schon mit den Hormonen alles in Ordnung ist; wir sind frigide, weil wir irgendwelche Neigungen verdrängen; haben den/die Richtigen(n) noch nicht gefunden, machen eine Phase durch, sind kaltherzige Egomanen, wenn nicht gar autistisch, und überhaupt sollen wir doch unser neues Etikett nicht so zur Schau tragen. Die Populärpsychologie nach Freud lässt grüßen.

Interessant an der Angelegenheit ist, dass der Asexualität ein gewisser Bekanntheitsgrad völlig abgeht – es existieren also Vorurteile gegen ein Phänomen, das erst seit zehn Jahren einen offiziellen Namen hat.

Vermutlich liegt das daran, dass die meisten Aces erst nach jahrelangen Therapeuten-Odysseen, schlechten Beziehungen und Selbstzweifeln auf den Begriff stoßen. Also zu einem Zeitpunkt, wenn das Kind schon längst in den Brunnen gefallen und ertrunken ist.

Fast alle haben dann bereits die Erfahrung gemacht, dass sie anders sind, und von jemand anderem deswegen als unzulänglich betrachtet werden.

Schlussfolgerung: man ist krank.

Dass solcherart verinnerlichtes Vorurteil schädlich ist, steht außer Frage. Zunächst mal sind die permanenten Selbstzweifel, die man deswegen mit sich rumträgt – ist das das richtige Wort? Ist das auch wirklich keine Phase? Hoffentlich kommt irgendwann Harry Potter vorbei und zaubert mich sexuell. Ist das nicht Anmaßung, zu diesem einen Prozent der Bevölkerung gehören zu wollen? – kein Spaß.

Sind diese Selbstzweifel zu stark, breitet man den Mantel des Schweigens über seine Orientierung, gibt auch auf direkte Fragen nur ausweichende Antworten… man lebt also, wie der Englischkönner sagt, „in the closet“. Im Schrank.

Der Schrank ist ein Negativverstärker: Wer lügt, hat was zu verbergen. Dinge, die man verbirgt, sind schlecht. Man muss sich schämen für schlechte Dinge. Folge: mehr Lügen, mehr Zweifel, und wenn man Pech hat, Selbsthass. Zumindest hält man sich durch sein Dasein im Schrank davon ab, sich in seinem Leben maximal wohlfühlen zu können.

Der Lösung erster Teil: Stolz.

Über Stolz hatte ich ja schon mal nachgedacht. Sicher kann man auf seine Orientierung nicht in der gleichen Weise stolz sein wie auf einen besonders gelungenen Kuchen oder gute Noten. Man kann aber einfach nur so stolz sein. Man kann sagen: das bin ich. Ich bin gut so, wie ich bin. Und wenn du was dagegen hast, dann schieb dir deine Kommentare gefälligst dahin, wo die Sonne nicht scheint.

Aus dem Stolz folgt das Coming-out. Wenn man nichts versteckt, ist der „aber ich muss mich doch schämen“-Mechanismus weg. Man weiß natürlich auch vorher schon, dass man nichts getan hat, dessen man sich schämen müsste, aber um dieses Wissen vom Kopf in den Bauch, oder vom Cortex ins Reptilienhirn zu bringen, dazu muss man schon aus seinem Schrank klettern.

Von wegen verrückt

04 Dienstag Okt 2011

Posted by Carmilla DeWinter in Asexualität

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Schlagwörter

Coming Out, Stolz

Oder: Der steinige Weg der Erkenntnis

Ich war etwa 14, als ich mich als verrückt zu bezeichnen begann, ohne dass ich genau hätte erklären können, warum.

Ich fand die öffentliche Anhimmelei von Stars irgendwie albern – es war ja nicht so, als hätte ich keinen angehimmelt, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, irgendwem davon zu erzählen. Bauchfreie Kleidung fand ich geschmacklos. Und bis heute habe ich nicht begriffen, was an kollektiven Besäufnissen (unvermeidlicherweise mit Anmache) so toll sein soll. Ich weiß aber, dass viele Leute sowas als Party bezeichnen.

Also: ich war anders. Ich war zu leise. Trug wenig coole Klamotten: zu unmodisch für die Girlies (daran sieht man, wie alt ich bin), zu brav für die Punker. Mein Hormonhaushalt hinkte dem Durchschnitt um zwei Jahre hinterher. Ich war fett, oder hielt mich zumindest dafür.

Mit Sicherheit waren das die Gründe, warum alle anderen Mädchen einen Jungen abbekamen, und nur ich Flirt-Legasthenikerin war.

Nach und nach bröckelten die Gründe weg. Die Hormone regten sich endlich, ich verbesserte meinen Kleidungsstil, nahm ab. Und ich war immer noch anders.

Falls ich doch mal in einen Jungen verliebt war, der sich in meiner Reichweite befand, schaffte ich es nicht, ihn von meinen Gefühlen in Kenntnis zu setzen.

Ich musste verrückt sein, oder wenigstens krankhaft schüchtern, denn sonst gab es ja keine Gründe.

Vermutlich wäre ich irgendwann beim Therapeuten gelandet, aber meine Eltern waren erstens gewohnt, dass ich alles für mich behielt, und zweitens mit anderen Familienmitgliedern vollauf beschäftigt. Meine beste Freundin war ebenfalls Spätzünderin, also hatte ich gegen den Hühnerhaufen in der Schule Beistand.

Außer meinen eigenen Vermutungen sagte mir niemand wichtiges, dass mit mir irgendetwas nicht stimmte, also konnte es nicht so schlimm sein, wie ich glaubte.

Im Rückblick bin ich dafür sehr dankbar.

In dem faulen Sommer nach meinem Abitur hatte ich das erste Mal eine Ahnung, dass ich nicht allein sein könnte. Im Vorwort zu „Die Säulen der Erde“ schreibt Ken Follett von einem geringen Prozentsatz Menschen, für die Sex keine so große Sache sei. Einerseits war das eine Erleichterung, andererseits passt es wieder nicht.

Es war und ist keinesfalls so, dass ich Sex eklig finde. Ich habe im entsprechenden Alter Bravo gelesen und bin dann zu einer Zeitschrift für junge Frauen migriert. Ich lese gern Liebesgeschichten und schreibe selbst welche.

Dank der Zeitschriften und der zahlreichen Bücher, die ich las, ging ich davon aus, dass sich schon irgendwann ein Mann für mich finden würde. Weil es so eben normal ist. Dass ich mir den Sex, den ich dann haben müsste, in den seltensten Fällen im Detail ausmalte, fiel mir nicht weiter auf, genauso wenig wie der Umstand, dass ich niemals von heimeliger Zweisamkeit träumte.

Dann zog ich von daheim aus, ging studieren. Um mich herum wurde Party gefeiert und geflirtet, was das Zeug hielt.

Ohne meine Dauersingle-Freundinnen war ich aufgeschmissen. Ich fragte mich, ob ich lesbisch sein könnte, wie ein Gerücht in meiner alten Klasse behauptet hatte, aber noch nie war ich in ein Mädchen verliebt gewesen. In einem letzten Verzweiflungsschritt ließ ich meine Pille ein Jahr lang weg, doch auch dann tauchte meine Libido eher sporadisch auf, und verlieben tat ich mich erst recht nicht.

Das war 2006. Nach diesem Experiment hatte ich begriffen, dass ein Partner zwar zeitweise sehr nett wäre, ich ebensolchen aber lieber, wenn überhaupt, ohne den Sex hätte. Und dass eine Art WG aus Wahlverwandtschaften mein Bedürfnis nach Gesellschaft ebenso, wenn nicht besser, erfüllen würde. Dass ich mein Bett für mich allein wollte.

Schließlich stolperte ich per Zufall einen Bericht über Asexualität. Zwei Jahre lang holte ich das Wort immer wieder hervor, um es mir anzusehen und herauszufinden, ob es passen könnte.

Ende 2010 wurde mir meine Andersartigkeit vom Schicksal deutlichst unter die Nase gerieben – ich habe seitdem einen guten Kumpel weniger. Dies war der Zeitpunkt, wo ich statt vager Erklärungen endlich Worte haben wollte. Ich war bereit, mich als Nicht-Hetero zu verstehen. Als jemand, der sich nie oder nur sehr selten zu anderen sexuell hingezogen fand.

Ich las: Artikel auf der AVEN-Mutterseite. Diverse Blogs.

Ich sah, dass es andere gibt, die ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht haben. Andere, die nach populärpsychologischen Gründen für ihr Anderssein gesucht haben und mit leeren Händen zurückgekommen sind.

Ich bin eben einfach so, und es gibt einen Namen dafür. Ich gehöre zu einer Minderheit, die etwa ein Prozent der Bevölkerung umfasst.

Ich bin ace.

Ich bin nicht besser und nicht schlechter als andere. Ich bin nicht krank, man muss und kann mich nicht heilen.

Ich bin nicht gestört und nicht kaputt. Ich bin nicht verrückter als andere. Auch wenn denen diese Erklärung lieber wäre.

… welche Flagge?

12 Montag Sept 2011

Posted by Carmilla DeWinter in Sichtbarkeit

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Coming Out, Sichtbarkeit

oder: von der Unmöglichkeit, sich als asexuell zu outen.

Wie ich beim letzten AVEN-Treffen in Karlsruhe feststellen musste, wusste nicht mal jeder Anwesende, was die Knüpfkunst mit den Streifen an meiner Handtasche zu bedeuten hatte.

Sofern man nicht auf deutliche Worte ausweichen will, hat man als Ace drei Symbole zur Auswahl. Das gute, alte AVEN-Dreieck (nur echt mit den Graustufen),

Das AVEN-Dreieck

den schwarzen Ring am (bevorzugt rechten) Mittelfinger, Kuchen, Ass-Karten, und die Flagge.

Ich kann also mit meinem Ring und der Flagge jeden Tag ungestört durch die Gegend laufen, und weder Freund noch Feind weiß mich zu identifizieren.

Offenbar ist selbst die Regenbogenfahne so wenig in den Köpfen verankert,  dass meine Flagge gar nicht als Flagge wahrgenommen wird, sondern als seltsames Ornament

Das ist irgendwie deprimierend.

(Quelle für die Bilder: Wikimedia Commons)

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