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Gelegentlich bekomme ich über Google Alerts einen Hinweis, dass wer eine Frage bezüglich Asexualität bei gute-frage.net eingestellt hat.

Beim Stöbern im entsprechenden Suchbegriff stieß ich auf knapp hundert entsprechende Einträge. Einige befassten sich mit der Definition, weshalb ich mich frage, weshalb die Fragenden sich nicht an Wikipedia gewandt haben, aber das Gros ist eine Variante von „Hilfe, bin ich vielleicht asexuell?“

Unter dem Cut werde ich einen Haufen Zeug zitieren, der aus diversen Gründen triggern könnte. Außerdem werde ich nebenher ein bisschen fies sein. Bitte wegschauen oder gar nicht erst hingucken, falls es zu viel werden könnte. Auf Resourcen habe ich hier hingewiesen.

Plötzlicher Libidoverlust und fluide sexuelle Orientierung:

Zunächst finde ich es bedenklich, einen Haufen medizinischer Laien mit einer Frage zu konfrontieren, die ich mir stelle, weil ich vielleicht krank bin: „Aber ich lese gerade man wird Asexuell geboren, ich hingegen war nicht immer Asexuell.“

Dass auch Asexuelle nicht immer gut Fragen beantworten, sehen wir an den Antworten:

„Ich bin asexuell habe damit auch gar kein Problem …“

„bei mir kam das mit 40“

Trolle gibt es überall:  „WOah! Wo bekomme ich die Asexualität her? Mich belastet meine Sex-Sucht ;)“

Über die hier kratze ich mir den Kopf: „das ist ganz schön traurig. ich denke, dass ein besuch bei einer psychologin, beim psychologen wirklich gut tun könnte. ich glaube du hast vielleicht einfach nicht DEN reiz gefunden“

Und das hier ist immerhin so ein bisschen korrekt: „Dann stimmt etwas nicht mit deinem Hormonhaushalt. Geh zum Arzt und besprich das mit ihm.“

Korrekte Antwort: Gegenfragen. Wie plötzlich kam das und hat di*er Betreffende noch andere Symptome? Was versteht diese Person unter „Asexuelität“? Heißt: Ist das ein Libidoverlust im Zusammenhang mit einer ernsten Erkrankung, oder ein Fall von fluider Sexualität? Beides ist möglich, aber für eine gute Antwort braucht eins mehr Informationen.

Bingo!

Und jetzt spielen wir zur allgemeinen Erheiterung Bingo zu der Frage: „Bin ich asexuell?“

Holen wir zuerst die Amöben raus … „asexuell ist selbstfortpflanzend xD diese Eigenschaft erfüllst du sicher nicht.“ …

… dann die Freud’schen „Versprecher“ inklusive Tippfehler … „Der Mensch ist ein sexelles Wesen,die anderen mehr andere weniger ,das ist die Natur.“ …

… und dann das ewige Problem vom Unterschied zwischen Libido und Begehren: „Wenn du SB machst, kannst du davon ausgehen, dass du nicht asexuell bist.“

Interaktion, Baby. Wie oft sollen wir das noch durchkauen?

Wie war das noch mit der Rape Culture und Zwangs(hetero)sexualisierung? „Probiers eben aus. Sammle Sexuelle Erfahrungen mit beiden Geschlechtern, dann weißt du was dir gefällt.“

Versuchen wir es mit erfundenen Informationen: „Leider gibt es zu der Asexualität keinerlei fundierten Forschungen.“

– Das war nicht mal 2010 korrekt, als der Thread eröffnet wurde. Vorausgesetzt, eins kann Englisch.

Holen wir die Krankheitskeule raus …

„Asexualität ist nicht normal. Wer Sex ablehnt, bei dem stimmt entweder körperlich, oder psychisch etwas nicht.“ „Asexuell ist meistens nicht gesund (Hormonelle- und oder Psychische Störungen) und wirkt auf Andere sehr altbacken.“

– Yay. Ich verneige mich mit Handkuss vor so viel Feingefühl auf Stereotypenbullshit.

(… Aber, psst? So ganz unter uns? Nur weil ich seit 2011 den selben Blogheader benutze, macht mich das doch nicht altbacken, oder?)

„Ich würde mal meine Schilddrüse untersuchen lassen.“

… oder behaupten wir, dass junge Menschen nicht wissen, was sie fühlen:

„Ich finde es noch sehr früh, um festzustellen, ob du asexuell bist.“ „Mit 16 Jahren lässt sich noch kein abschließendes Urteil bilden …“ „Also es ist echt nichts außergewöhnliches dass Mädchen in deinem alter weder an Jungs noch an Mädels interessiert sind.“ „Ich denke nicht, dass Du Asexuell bist. Vielleicht bist Du ja einfach noch zu jung oder ein Spätzünder“ „Wie alt bist Du ?“

– Aber Kindern „Sandkastenlieben“ zuschreiben und das für völlig normal halten. Seufz.

Variationen über das Thema sind: „Es ist völlig normal, dass man sich in der Pubertät fragt, ob man nicht homosexuell, asexuell oder transsexuell (oder was es noch alles gibt…) ist“

Und: „aber in deinem alter können auch ganz andere faktoren eine rolle spielen. z. b. das wissen um die verheiratung deiner mutter, mögliche eigene erfahrungen in der kindheit, die verdrängt wurden, oder eben deine ablehnende einstellung auf grund von reizüberflutung in deinem sozialen umfeld“

– Ich wüsste ja gern, was das Alter mit verdrängten Erfahrungen zu tun hat.

Und wo wir bei Erfahrungen sind … „asexualität hat immer seine Gründe, hast du schlechte Erfahrung gemacht ??“

– abgesehen von autsch, Grammatik, m.E. eine völlig unangebrachte Frage in einem öffentlichen Forum.

Und, egal wie alt die Leute sind: „Die Phase hat jeder ab und zu glaub ich mal.“

– Ähh ja. Hm. Bei manchen Leuten ist es halt keine Phase.

Missinformationen seitens der Community (?) auch hier: „zuerst ich bin zufällig a-sexuell 😉 es gibt 2 varianten …. die eine bedeutet dass du gar keinen körperlichen kontakt willst und die andere dass du einfach nur keinen sex willst so wie ich“

– Also, ich bin ja nun seit vier Jahren im Forum und in Blogs aktiv, aber die Einteilung ist mir neu. Was hab ich verpasst???

Auch schön: Besorgte(?) Eltern. „Ich möchte nicht, dass meine Tochter ohne Mann und ohne Kinder endet, ich möchte irgendwann Enkelkinder haben und ich bin mir sicher, dass meine Tochter dann auch etwas glücklicher wäre, wenn sie sich mal verlieben würde. Ich habe sie noch nie verliebt gesehen, das ist doch nicht normal! Ich wollte sie auch schon in Therapie geben aber sie lehnt natürlich ab. Momentan bin ich wirklich ratlos!“

– Klassischer Fehlschluss: Was ich fühle, fühlen alle. Mit einer Portion Egoismus obendrauf: Sind Enkel wichtiger als eine Tochter mit erfülltem Leben?

Ignorieren wir die Selbstdefinition einer Person: „Was ich blöd an Deinem Beispiel finde: Nicht jeder, der keine Freundin oder Freund hat ist asexuell.“ „Von Asexualität abzutrennen ist der Verzicht auf Sexualität, zum Beispiel als Folge einer psychischen Erkrankung. Ein wirklich guter (!), nicht einfach der nächstbeste, Psychologe wäre die richtige Adresse für das Problem. “ „So, wie Du das alles schilderst, könnte man das bestenfalls eine sexuelle Appetenzstörung nennen – nicht Asexualität!“

Ebenfalls ein Klassiker: die Introversion. „Du bist nich Asexuell. Du bist nur schüchtern“ „Für mich hört sich das so an als hättest du einfach noch Angst deine Gefühle richtig zu zulassen“

Und noch einer: „Vielleicht bist du einfach sehr anspruchsvoll….hast eventuell auch schlechte Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht.“

Außerdem müssen wir einen neuen Bingokasten aufmachen: „Wenn du Dich dafür entschieden hast, ohne Sex zu leben, dann ist das genauso eine Entscheidung, als wenn du dich z.B. für Homosexualität entscheiden würdest.“ „Warum um Himmelswillen bist du asexuell ??“

– Der „asexuelle Lebensstil“ kommt wohl aus der selben Ecke wie der „schwule Lebensstil“.

Hinweis: Mit Stil muss die Enscheidung gemeint sein, sich zu outen, nicht die Entscheidung, asexuell, schwul oder sonst was zu sein. Eine solche Entscheidung kann eins nämlich nicht treffen.

Und dann zieht’s einer endgültig die Schuhe aus:

„PS: Mal so Tip ins Blaue…hast du schon mal was vom Borderline-Syndrom gehört?“

Liebe AVEN-Community,

Manchmal geht ihr mir auf die Nerven, und ich bin auch nicht oft im Forum. Aber ich finde es grandios, dass es bei euch Regeln gibt wie „keine Fremddiagnosen“.

Vielen Dank, dass ihr existiert.