Schlagwörter
A/Romantik, Asexualität, Bingo!, mein Ace-Sprech gehört mir, Wortklaubereien
So, es ist Asexual Awareness Week. Außerdem hatte mir Fiammetta geschrieben, dass sie in einem Gespräch über die Frage gestolpert ist, was demisexuell ist und wozu wir das Wort brauchen. Überhaupt scheint ein Großteil der Außenstehenden sich zu fragen, was wir mit den ganzen Wörtern eigentlich wollen.
Zugegeben, wir haben viele davon: Gray-A, demisexuell, ästhetische Anziehung, intellektuelle Anziehung, sexuelle und romantische Anziehung, wtf-romantisch, queerplatonisch, Zucchini, etc. pp. Nicht zu vergessen den ganzen importierten Genderkrams wie trans*, nicht-binär, neutrois, genderfluide, usw.
Ganz unabhängig von der Bedeutung dieser Worte ist allein deren Anzahl für Uneingeweihte überraschend. Nun sind Asexuelle anscheinend dafür prädestiniert, populäre Ideen und Konstrukte auseinanderzunehmen, und neue Wörter für die Einzelteile zu finden, oder Wörter für Dinge zu finden, über die noch niemals jemand nachgedacht hat. Jemand macht sich im öffentlichen Raum Internet Gedanken, und wer anderes kommt vorbei und sagt, „haargenau das ist, was ich fühle, und jetzt habe ich endlich ein Wort dafür!“ Und dann kann diskutiert werden.
De facto ist es ja so, dass ich desto ausführlicher über Dinge nachdenken kann, je größer mein Vokabular ist. Daher bin ich der Meinung, dass die Welt nur davon profitieren kann, wenn es für möglichst viele Konzepte Wörter gibt.
Jede Subkultur, jede Branche hat ihre eigenen Wörter – schon mal geschaut, wie diese ganzen Piercings heißen, je nachdem, wohin mensch sie sich stechen lässt? Ganz zu schweigen von meinem eigenen Brotberuf. Keine_r wird hier bestreiten, dass derlei Fachwörter wichtig sind.
„Das nach drei Seiten geschlossene Labor, in dem wir Salben herstellen und in das sich der Tee nicht verirren darf, damit die Waage und Gefäße nicht zustauben“ ist unpraktisch, daher „Rezeptur“. Dass das genauso heißt, wie „Ich hab eine Rezeptur angenommen“ – also dass eben eine Salbe/Lösung herzustellen ist, stört niemanden von uns Weißkitteln. Abgesehen davon haben die meisten Sprachen Homonyme (Wörter, die gleich aussehen und klingen und zwei ganz verschiedene Bedeutungen haben), die auch weniger wortgewandten Menschen ohne besondere Ausbildung zur Verfügung stehen. Mensch denke nur an die zahlreichen Bedeutungen von „Karte“.
Insofern finde ich den immer noch gehörten Einwand „aber asexuell heißt, dass ein Organismus sich ungeschlechtlich vermehrt“ mehr als lächerlich, und es befremdet mich, dass uns das Recht auf unsere eigene Fachsprache aberkannt wird, nur weil wir über Sex und dessen Abwesenheit diskutieren, anstatt über Piercings oder Apothekenbedarf.
Klar, neues Wort heißt, nach der Definition fragen zu müssen und diese in die hauseigene Festplatte Oberstübchen zu integrieren. Ist für die meisten Leute anstrengend. (Aber wahrscheinlich liest das hier eh keine_r, dier damit allzu große Schwierigkeiten hat.)
Mehr als frech ist aber, die Notwendigkeit eines Wortes anzuzweifeln. Das Wort existiert und wird von mehr als einer Person genutzt – damit sollte sich logisch ergeben, dass ein Bedarf für dieses Wort bestand.
„Aber das steht so nicht im Wörterbuch!“
Und? Bei Wikipedia steht’s mittlerweile. Außerdem gab es Zeiten, da standen Wörter wie „homosexuell“, „Mutterschutz“ und „Computer“ so auch nicht im Wörterbuch. Sprache ist lebendig. Nehmt es hin.